Zum 138. Jahrestag der Kongokonferenz, auf der die Europäer einst Afrika unter sich aufteilten, fordert ein schwarzafrikanisches Bündnis in Berlin, ein Mahnmal zu errichten.
Es ist kalt. In den Pfützen, die der geschmolzene Hagel zurückgelassen hat, spiegeln sich die Transparente und Banner. An diesem 25. Februar begleite ich die African Black Community (ABC) in Berlin auf einem Gedenkmarsch, dessen Anliegen in einem einzigen kiswahelischen Wort zum Ausdruck kommt: Maafa. Das meint „die große Zerstörung“; denn von dem, was die Europäer seit Beginn der Kolonialisierung in Afrika angerichtet haben, machen wir uns keinen eigenen umfassenden Begriff. Zu vielschichtig ist die europäische Verantwortung, die aus dem kolonialen Erbe erwächst. Dabei wirkt die Ausbeutung auch teils unter neuen technischen Bedingungen und angesichts ökologischer Herausforderungen nach oder noch immer fort.
„Es ist kein Zufall, wie Arbeit auf dem Globus verteilt ist“, erklärt dazu der Politikwissenschaftler Joshua Kwesi Aikins. Während der ABC-Kundgebung vor rund 50 Anwesenden schildert er, wie Facebook seine Content-Moderation in englischsprachige afrikanische Länder auslagert. Möglich mache dies die koloniale Vorgeschichte. Hier fänden sich billige Arbeitskräfte, die des Englischen mächtig sind. Gleichzeitig erhielten die Mitarbeiter, die dann millionenfach Hass- und Gewaltinhalte aus sozialen Netzen filterten, keine entsprechende psychologische Betreuung. Dabei seien sie es, die den neuen künstlichen Intelligenzen beibrächten, was guter und was schlechter Inhalt ist.
Als der Demonstrationszug vor dem Berliner Humboldt-Forum zum Stehen kommt, erinnert Aikins an ein Dauerthema der postkolonialen Aufarbeitung. „Im Humboldt-Forum lagern Hunderttausende von afrikanischen Artefakten, die in einem Gewaltkontext erlangt wurden.“ Aikins fordert, bei der Klärung der Besitzverhältnisse denselben Willen an den Tag zu legen, wie es im Umgang mit NS-Raubkunst bereits erfolge.
Dieselbe Forderung erhebt auch der Aktivist Mnyaka Surru Mboro. Tansania und andere afrikanische Länder hofften teils seit 100 Jahren auf die Rückgabe von Kulturgütern, aber auch auf die Rückführung menschlicher Gebeine. „Es geht um unsere Ahnen“, so Mboro. Er und Aikins nehmen die Stiftung Preußischer Kulturbesitz in direkte Verantwortung.
Die panafrikanische Frauenrechtlerin Marianne Ballé Moudoumbou verweist auf die Rolle der katholischen Kirche bei der Ausbeutung Afrikas. „Es gibt Päpste, die Sklaven in großem Ausmaß gehalten haben.“ Sie bittet die heutigen Bischöfe, dafür Verantwortung zu übernehmen. In einer anderen Rede verweist sie auf genozidale Verbrechen an der kongolesischen Bevölkerung, die ohne die katholische Kirche so nicht möglich gewesen seien.
Moudoumbou und die anderen Aktivisten wollen alle Opfergruppen in den Blick nehmen, die unter den vielfältigen Formen von Ausbeutung leiden und gelitten haben. Während dieses 17. Gedenkmarsches kommt mehr zur Sprache, als sich hier abbilden lässt. Auch deshalb setzt sich die schwarzafrikanische Gemeinde für ein Denkmal ein, in dem symbolisch all das sichtbar werden soll, vor dem die weiße Mehrheitsgesellschaft noch immer die Augen verschließt.
Mbolo M. Yufanyi trägt den Gedanken für die Errichtung eines afrikanischen Denkmals mit. Doch gegen Ende der heutigen Veranstaltung zeigt er sich auch enttäuscht darüber, dass „zu wenig Schwestern und Brüder“ an dem Gedenkmarsch teilgenommen haben. „Wenn es zu Übergriffen kommt, ist das Geschrei wieder groß. Deshalb ist es wichtig, dass die Leute jetzt ihre Stimme erheben. Wir müssen zusammenkommen. Wir haben so viele Netzwerke.“
(c) Fotos und Texte: Jan-Christian Petersen