Ella Nilova leitet die jüdische Jugendbildungsstätte J-ArtEck im Berliner Janusz Korczak Haus. Mitten im Ukraine-Krieg organisiert sie Jugendaustausch-Programme. Bedeutsam dabei ist eine weltweite jüdisch-ukrainische Kunstbewegung aus dem 20. Jahrhundert: die Kulturliga.
Es ist der 6. März. Ich spaziere durch feucht-kalte Berliner Luft. In einem Hinterhof neben dem Roten Rathaus liegt das Janusz Korczak Haus. Es wird von Ella Nilova geleitet. Über ihre Jugendbildungsstätte J-ArtEck bringt sie üblicherweise jüdische Kinder aus Israel, der Ukraine, Russland, aber auch aus anderen osteuropäischen Ländern nach Berlin – auch in Kriegszeiten. Das Projekt wird im Förderprogramm „MEET UP! Youth for Partnership“ von der Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft (EVZ) und vom Auswärtigen Amt gefördert.
Doch Nilovas Engagement steht derzeit vor einem Problem. „Die Jugendherbergen sind bis einschließlich 2024 ausgebucht“, erklärt die Pädagogin, die selbst russisch-ukrainische Wurzeln hat. „Und dort, wo unser 10-tägiges Sommercamp bislang stattfand, werden jetzt Wohnungen gebaut.“
Im Sommer 2022 trafen sich dennoch 60 Jugendliche aus Deutschland, Israel, Litauen und der Ukraine in Berlin. Dabei sind es nicht nur die Spuren der Shoah, die Ella Nilova in ihrer Jugendarbeit vermittelt.
Kinder in Berlin erforschen die jüdisch-ukrainische Kulturliga
Nilovas Ziel ist es, eine selbstbewusste jüdische Identität unter den Kindern zu stärken. Ein Weg dahin führt über die Kulturliga (Kultur-Lige), die vielen heute unbekannt ist. Sie wurde 1918 von jüdischen Avantgardisten in Kiew mit dem Ziel gegründet, jüdische Bildung, jiddische Sprache und Kultur in die Welt zu tragen. Im Dezember 1920 wurde die Liga dort von den Kommunisten verstaatlicht. Viele Künstler gingen ins Exil. Es bildeten sich Nachfolge-Organisationen unter anderem in Moskau, Warschau, Paris, Vilnius, Bukarest, New York und Chicago. Marc Chagall und El Lissitzky gehörten zur Liga. Auch Berlin wurde ein Zentrum der jiddischen Literatur. Die Nazis beendeten diese Blüte. 1952 fielen überlebende Liga-Gründer einem stalinistischen Antisemitismus zum Opfer. Zusammen mit anderen jüdischen Schriftstellern und Intellektuellen wurden sie in „der Nacht der ermordeten Dichter“ unter dem Vorwand des Hochverrats erschossen.
Mit diesem und anderen kulturellen Vermächtnissen setzen sich die Jugendlichen im J-ArtEck auseinander. „Viele Kinder wollen wiederkommen“, sagt Nilova. Das gelte auch für die ukrainischen Jugendlichen. „Unser Programm ist so dicht, dass die Kinder den Krieg ein Stück weit vergessen.“