Höllepreis für alle deutschen Tageszeitungen

Andreas Unger vom Berufsverband Frier Journalisten, Freischreiber.de
Andreas Unger vom Berufsverband Freier Journalistinnen und Journalisten am 23.11.2024 in Hamburg. (Bild: Freischreiber.de / Tide Hamburg)

„Fakt ist, wir kennen keine einzige deutsche Tageszeitung, die ihren freien Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ein immerhin durchschnittliches Einkommen in immerhin durchschnittlicher Arbeitszeit ermöglicht.“ Das sagte Andreas Unger vom Berufsverband Freier Journalistinnen und Journalisten (Freischreiber.de) am 23. November 2024 in Hamburg. Anlass war die Vergabe des Höllepreises — eine Negativauszeichnung, die von den Freischreibern in diesem Jahr an alle deutschen Tageszeitungen vergeben wurde. Hier sehen Sie das Video auf YouTube.

Lokalblätter bei der Ausbeutung ganz vorne mit dabei

Die ersten beiden Negativbeispiele aus dem verlinkten Video schildern Erfahrungen aus Schleswig-Holstein. Sie beziehen sich auf das Vergütungsmodell eines Zeitungsverlags, der regional und überregional im nördlichsten Bundesland publiziert und dann auf die Bürgermeisterwahl in einer hiesigen Kreisstadt, bei der die journalistische Arbeitszeit mit einem Stundenlohn von 8 Euro hätte vergütet werden sollen. „Verhandeln damit man auf den Mindestlohn kommt“, fasst Unger die Vorgänge zusammen.

Zeitungsverlage unterlaufen regelmäßig die Lohnuntergrenze

„Schon zur Gründung der Freischreiber“, so Unger, „galt als Richtwert 100 Euro pro 1.000 Zeichen. Das war 2008.“ Gezahlt werden in Schleswig-Holstein aber vielerorts um die 37 Euro, wie aus dem benannten Vergütungsmodell hervorgeht. Zudem hat es im Zuge der rapiden Geldentwertung in den Jahren 2022 und 2023 hier auch keinen Inflationsausgleich gegeben.

Ländliche Räume im journalistischen Vakuum

Die Lokalausgaben einzelner Tageszeitungen ähneln sich immer stärker. Sie decken immer weniger alle relevanten Geschehnisse in den Kommunen ab. Zum Journalismus gehört aber auch die aktive Nachfrage nach Vorgängen, die von gesellschaftsrelevanten Entscheidungsträgern in den Hintergrund gedrängt werden. Das dient der Korruptionsprävention. Bei Verzahnungen von verschiedensten Akteuren kann es zudem Fehlentwicklungen geben, die es für Bürgerinnen und Bürger sichtbar zu machen gilt. Tatsächlich haben die Redaktionen aber immer weniger Kapazitäten, um diese Vorgänge zu durchleuchten. Die Redaktionen werden weiter zusammengestrichen. Im Zuge dessen werden freie Mitarbeiter, die aus eigener Motivation heraus ein echtes Ohr an den Menschen haben, dann maximal ausgebeutet.

Öffentlichkeit gibt es für die prekäre Lohnsituation der freien Journalistinnen und Journalisten jedoch nicht. Während sich andere Arbeitnehmerverbände an die Zeitungen wenden, um Ungerechtigkeiten öffentlich zu machen, sind die Zeitungen hier ein Teil des Problems.